Sitzplatz oder der Weg in die Stille

…und was, bitteschön, hat es mit diesem Sitzplatz auf sich?

Das werde ich immer wieder gefragt, wenn in meinen Beiträgen davon gelesen wird! Nein, es ist keine gemütliche Bank vor dem Haus unten am Weg 🙂

„Sitzplatz“ ist eine der Kernroutinen, die ich über das „Naturmentoring“ kennengelernt habe. Kernroutinen sollen uns helfen, zu einer tieferen Naturverbindung zu gelangen. Es ist eine Übung von einer Reihe von Übungen, um von der Natur zu lernen.

Und so simpel diese Übungen manchmal auch scheinen, sie haben eine enorme Wirkkraft!

Zudem scheint es mir in Zeiten, wo man von „Naturdefizit“ (*) und „Naturvergessenheit“ spricht, wichtiger den je, diese Kernroutinen zu verbreiten und von eigenen Erfahrungen zu erzählen!

Mit der Übung des „Sitzplatz“ habe ich durch unsere Mentoren und Lehrer für etwas, das ich auch schon in meiner Kindheit aus einem natürlichen Impuls heraus oft und gerne gemacht habe, einen Namen gefunden. Ich bin in einem Wiener Randbezirk mit viel natürlicher Umgebung und damals noch einigen vergessenen Grünflächen, da fand man mich oft auf einem großen, hohen Baum sitzend oder bei meiner Oma im Ötscherland im Wald an einem Bachlauf hockend…es war für mich herrlich an diesen Plätzen einfach nur zu sein und zu beobachten. Die Stimme des Baches schien für mich mit der Zeit wunderbar vertraut und sein Gluckern und Gurgeln war für mich eine Sprache, die ich begann zu verstehen. Ich liebte diese magischen Momente und ich kann mich bis heute gut daran erinnern und viele Jahre später sollte ich auch merken, wie sehr mich diese frühen Erfahrungen in meinem künstlerischen Schaffen geprägt haben!

Vielleicht kannst Du Dich auch erinnern, dass Du als Kind schon so eine Sitzplatzroutine hattest. Dann hast auch Du jetzt einen Namen dafür und kannst daran anknüpfen! 🙂

Heute sind viele Menschen durch die Eroberung der neuen Medien unserer täglichen Welt und durch einen „durchgetimten“ Alltag oft nicht mehr gewohnt, einfach nichts zu tun und in eine beobachtende Stille zu gehen.

Richard Louv spricht sogar von einer Naturdefizit-Störung. Bei diesem Begriff handelt es sich, wie er ausführt, nicht um eine anerkannte medizinische Diagnose, sondern steht er als Begriff für ein aktuell oft zu beobachtendes Phänomen der Entfremdung von der Natur, die durch verringerte Sinneserfahrungen, Aufmerksamkeitsproblemen und an einem höheren Mass an körperlichen und emotionalen Erkrankungen, um nur ein Einiges zu nennen, sichtbar werden. (vgl.Richard Louv, Das letzte Kind im Wald-geben wir unseren Kindern die Natur zurück, 2011)

Hans Peter Dürr spricht in dem Zusammenhang von „Naturvergessenheit“ des Menschen!
Für sehr viele Menschen ist die Übung „in Stille zu sein, nichts zu Tun außer mit wacher Aufmerksamkeit und Neugierde zu beobachten“ eine schwere Übung und auch viele Menschen fühlen sich bei dem Begriff „Naturdefizit“ angesprochen und spüren eine Sehnsucht, die sie oft nicht genau benennen können. Eine Sehnsucht nach Verbundenheit!

Ein persönlicher Wohlfühlort in der natürlichen Welt

Es geht darum einen Ort in der natürlichen Welt zu finden, den Du so oft wie möglich aufsuchst, ein Platz der Dein ganz persönlicher Ort wird, an dem Du versuchen wirst still zu sein und zu beobachten. Am Besten sitzt Du dabei auf dem Boden mit einer kleine Unterlage. Beginne dann damit alle Deine Sinne zu aktivieren, zu beobachten und wahrzunehmen, hinzuhören- in die Stille hinein lauschen!

Gut wäre auch, wenn der Platz einfach zu erreichen ist- am Besten möglichst naturnahe, aber es kann auch im eigenen Garten sein, im Park nebenan oder sogar auf der Terrasse. Wichtig ist die gute Erreichbarkeit, damit Dich Deine inneren Stimmen möglichst wenig daran hindern können hinzugehen 😉

Natürlich wäre es optimal, wenn man dafür mindestens 1 Stunde Zeit hätte, aber ich meine, dass es besser ist, man nimmt sich zumindest 15 Minuten Zeit dafür, statt diesen persönlichen Ort gar nicht zu besuchen!

Wenn es bei mir nicht anders geht und weil ich immer gerne gleich am frühen Morgen meinen Sitzplatz aufsuche, nehme ich auch manchmal meine jüngste Tochter mit- sie kennt das schon gut, und lauscht mit mir in den Wald, bemerkt den Wind und hört die Vogelstimmen, riecht mit mir den herbstlich feuchten Waldboden und lässt mich dann sitzen, während sie im nahen Umkreis umherstreift. So ist es mir lieber als wenn ich gar nicht zu meinem Sitzplatz gehe, und ich bemerke, dass auch meine Jüngste den Sitzplatz schon lieben lernt.

Innere Stimmen, dein „Plapperwicht“

Wenn Du mit dieser Routine beginnst, kann es sein, dass sich anfangs vielleicht immer wieder innere Stimmen melden, die tausend Gründe nennen, warum man dann heute doch nicht gehen mag…zu nass, zu kalt, zu heiss, halb krank, zu viel zu tun und so weiter und so fort!

Doch es geht darum auch diesen „Plapperwicht“ zu beruhigen und die Gedanken zu beobachten, liebevoll und wohlwollend und dennoch den Besuch bei Deinem persönlichen Sitzplatz zu einer guten Gewohnheit werden zu lassen.

Was ist jetzt das Wesentliche?

Das Wesentliche ist, dass Du diesen Platz richtig gut kennenlernen wirst. Jede Jahreszeit, jede Wetterlage verändert diesen Ort und Du wirst ihn in allen Phasen kennenlernen und beobachten was sich dort tut. Du wirst die Musik dieses Platzes in all seiner Unterschiedlichkeit kennenlernen. Du wirst jedes Rascheln im Laub hören wenn Du unter Bäumen sitzt und langsam schon unterscheiden können, von wem dieses Rascheln kommt- von einer Meise oder einem Käfer oder von sonst einem Bewohner dieses Fleckchens Natur. Du wirst die nahen Geräusche bemerken und jene, die von weiter weg kommen. Du wirst den Duft der Jahreszeiten kennenlernen. Wenn Du mit dem Blick auf ein Vogelhäuschen sitzt, wirst Du die Besucher kennen-und liebenlernen und wirst ganze Geschichten beobachten können, die sich dort abspielen. Ein Stück weit wird dieser Platz Dein Nest, Deine Nische, Dein Rückzugsort.

Mein persönlicher Gewinn

Ich selbst merke, wie mein Sitzplatz ein Teil von mir geworden ist und manchmal wenn es gerade sehr trubelig ist, brauche ich den Platz nur in Gedanken besuchen und ich schärfe meine Sinne und gehe im Inneren in diese Stille und daraus kann ich immer wieder unendlich viel Kraft schöpfen, es beruhigt mein Gemüt und schenkt mir Geduld für die momentanen Situationen in denen ich mich gerade befinde.

Mein Sitzplatz ist mein ganz persönlicher Wohlfühlort geworden, auch wenn es manchmal darum geht, gerade jetzt wenn es langsam kälter wird, die gemütliche Komfortzone der „warmen Stube“ zu verlassen- doch ich bin noch jedesmal reich beschenkt worden!

Ich lade dich ein, dir einen Sitzplatz zu suchen und diese Kernroutine regelmäßig durchzuführen, du wirst erleben, wie du dich wie von selbst verbindest, mit der Natur um dich, mit den mehr-als-menschlichen Wesen und mit dir selbst und deiner inneren Natur

Viel Freude beim Ausprobieren!

shine your Light, spread love, stay wild

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