Jede/r kennt sie, die Frau Holle!
Doch zumeist ist sie nur aus einer Erzählung bekannt – aus dem Märchen der Gebrüder Grimm! Kaum jemand weiß, dass dahinter eine sehr alte Mythe steckt, die nichts mit dem Ideal der braven, fleißigen Hausfrau zu tun hat! Wenn wir wissen wollen, was es mit der Mythe rund um Holle wirklich auf sich hat, müssen wir die Geschichte in Schichten abtragen, den Schleier heben und dahinter schauen!
Die Brüder Grimm
Bei allen Erzählungen (Märchen) der Gebrüder Grimm, darf nie vergessen werden, dass die Geschichten, die sie gesammelt haben und in „ihrer Weise umgeschrieben“ haben, mündlich erzählte Legenden waren, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden!
Wenn man bedenkt, in was für einer Zeit Jacob und Wilhelm Grimm gelebt und die bekannten Grimm`schen Märchen aufgeschrieben haben (zwischen 1812 und 1857) und somit die Legenden der lebendigen Tradition gewissermaßen entzogen haben, fällt es nicht schwer zu bemerken, dass alle bürgerlichen und moralisierenden Werte und die „schwarze“ Pädagogik dieser Zeit, in diese Erzählungen eingeflossen sind!
Die Geschichten sollten „Tugendlehre für das gutbürgerliche Milieu“ sein, um Fleiß, Reinlichkeit, Achtsamkeit und Christlichkeit als Ideale zu vermitteln!
In den Märchen wurden alle heidnisch anmutenden Symbole geflissentlich gegen christliche Symbolik ausgetauscht. Eine weise Heilerin wurde so zur bösen Hexe, der Wald gefährliches Gebiet und die einstigen „Krafttiere“ des Waldes wurden zu bösen und gemeinen Wesen.
Sexuelle Elemente wurden natürlich ganz weggelassen, so wie auch die ProtagonistInnen jünger dargestellt wurden, als in den ursprünglichen, mündlich erzählten Legenden.

Frau Holle als UrMutter

Meine Nachbildung der „Frau von Willendorf“, 30.000 Jahre alter Fund bei Willendorf/Niederösterreich. Sie steht für das das ewige Stirb und Werde, für die große Mutter Erde, für die große natürliche Ordnung, in die wir Mensche eingebettet leben!
Es ist in Vergessenheit geraten, dass hinter der Gestalt der Frau Holle ein sehr reicher Mythenschatz unserer frühesten Vorfahren verborgen liegt, der auf die matrilineare, egalitär zusammenlebende Sippengemeinschaften verweist, die bis in die Epoche Europas der Jungsteinzeit zurückzuverfolgen sind!
Frau Holle ist in diesen Mythen eine große Muttergöttin.
Aber nicht etwa als „Göttin“ zu sehen, so wie wir es heute verstehen. Sie stellt eher eine Art Urmutter dar, eine Verkörperung der zyklischen universellen Kraft von Werden, Sein und Vergehen! Sie ist eine gute, aber auch eine strafende „Göttin“, sie „prüft“ des Menschen dienende Haltung. Sie fragt: „Willst Du mir dienen“ und so man ihr dient, wird man reichlich belohnt.
Die Frage meint nach dem Verständnis: Willst Du „Mutter Erde“ dienen, willst Du mit dein Sein und Wirken der Vermehrung der Lebendigkeit dienen, willst Du Deine Gaben in diesem Sinne in die Welt einspeisen?
Wenn Dir das gelingt, bist Du gesegnet und belohnt!
Fragen, die an Aktualität nicht verloren haben. Wir sollten uns genau diese Fragen wieder vermehrt stellen!
Die gute Holle zeigt sich in verschiedenen Aspekten, die wir aus zahlreichen Mythen und späteren Göttinnen kennen. Sie erscheint als weiße Jungfrau, die die Qualität des Frühlings repräsentiert, als rote Liebesgöttin, die für den Sommer steht, und als schwarze, weise Alte, die die Qualitäten von Herbst und Winter verkörpert.
Im Laufe der Zeit hat sich die Gestalt der Göttin Holle im Zuge der kulturgeschichtlichen Entwicklungen gewandelt. Von den Alteuropäern über die Kelten und Germanen bis hin zu den sich entwickelnden hierarchischen und feudalen Gesellschaften wurde ihr Bild immer wieder neu gestaltet. Nicht zuletzt beeinflusste auch das Christentum diese Veränderungen.
Der Holunder gilt als Baum der Holle. In manchen Mythen wird erzählt, dass die Holle unter dem Hollerbusch wohnt und dort in einem Kessel rührt. Die Menschen gingen zum Hollerbusch, um ihre Krankheiten hineinzuhängen. Die Holle rührte in ihrem Kessel, bis sich die Krankheiten verwandelten. Der Kessel ist in vielen Muttergöttinnen-Mythen ein Symbol für den Uterus der Erde und somit für den zyklischen Kreislauf des Lebens und der Wiedergeburt.
Der Hollerbusch wurde als heiliger Schutzbaum verehrt. Es war lange Zeit Brauch, vor dem Abbrechen von Holz vom Holunderbusch die Hände zu falten, niederzuknien und den Strauch um Vergebung zu bitten, etwa mit den Worten: „Frau Elhorn, gib mir was von deinem Holze, dann will ich dir von meinem auch was geben, wenn es im Walde wächst.“
Mit der Verbreitung des Christentums wurde dieser alte Brauch, an Quellen und unter Holunderbäumen zu beten und zu opfern, verboten und mit hohen Strafen belegt. Die weise und gütige Lichtgöttin wurde in der christlichen Überlieferung zunehmend zu einem gefährlichen Spukgeist umgedeutet.
Trotzdem blieb die Gestalt der Holle bis ins 18. und 19. Jahrhundert lebendig. Sie wurde mündlich weitergegeben, vor allem bei den einfachen Leuten und Frauen, in Zeiten patriarchaler und unwirtlicher Verhältnisse. Frau Holle war damals eine schützende Göttin und helfende Mutter.
Erst durch die schriftliche Fixierung durch die Brüder Grimm wurde sie zu einer Märchenfigur, die vor allem dazu diente, artige und unartige Kinder zu tadeln.
Bei der Erforschung ihres Mythenschatzes wird die enorme historische Tiefe der Göttin Holle bemerkbar.
Entlang des „magischen Jahres“ sind zahlreiche Mythen und Geschichten bekannt, die ein Leben im Einklang mit dem zyklischen Lauf der Welt beschreiben. Ebenso gibt es viele alte Bräuche, die im Laufe der Kulturgeschichte „verdreht“ und überlagert wurden, zuletzt mit einem christlichen Mantel überlegt wurden. Doch wenn man genauer hinsieht und die Überlagerungen abträgt, verweisen die meisten dieser Bräuche auf die alte Göttin!

Holle-Teich beim hohen Meißner/Hessen
Die Frauen buken in der Weihnachtszeit aus Kuchenteig Gebilde- das sogenannte Gebildebrot, dass immer die Göttin in einer Weise darstellte oder symbolisierte.
Dieser Brauch war weit verbreitet!
Bis heute backen wir Weihnachtskekse, nur die Symbole haben sich gewandelt…
Frau Holle ist auch die ursprüngliche Gabenbringerin.
Da sie als eine große Erdgöttin gesehen wurde, dankten die Menschen ihr für all die Gaben der schenkenden Erde, die die Menschen über den Winter brachten!
Doch sie beschenkt nur, wenn ihre Gaben auch geehrt werden, sonst nimmt sie diese wieder zurück!
Die Rute, eine Haselrute, war in den ursprünglichen Mythen eine sogenannte „Lebensrute.“
Wenn die Jungfrauen damit berührt wurden, empfingen sie den Segen der Fruchtbarkeit.
Mittlerweile kennt man die Rute, durch die Einflüsse des Patriarchats, nur mehr als strafende Zuchtrute für die „schlimmen“ Kinder. Welch eine Verdrehung!
So wie viele große Göttinen, zum Beispiel Artemisia oder Diana, war es die Holle, die auf einem magischen Wagen, gezogen von weißen Hirschen, durch das Land fuhr.
Sie reiste durch die Lüfte und warf den Menschen die Gaben durch den Schornstein, welcher das „Seelenloch“ des Hauses, als Verbindung mit der spirituellen Welt, darstellte!

Räucherwerk der Rauhnächte
Die zwölf Weihenächte oder auch Mutternächte genannt- das sind die Rauhnächte nach der Wintersonnenwende.
In diesen zwölf Nächten zog Frau Holle als „Mutter aller Seelen“ durch das Land.
Hinter ihr liefen die Seelchen, die ungeborenen (eigentlich waren es die verstorbenen Ahnenseelen, die wiedergeboren werden sollten) die eine neue Menschenmutter suchten.
Somit war die Holle auch die Bringerin des neuen Lebens!
Diese heilige Zeit rund um die Rauhnächte endete mit einem großen Göttinenfest am 6.Jänner!
Dieser Tag hieß auch „Berchtentag“ oder „Frau Holle Tag“
Die Göttin schloss die Tore zur Anderswelt wieder zu, ihr magisches Jahr hatte sich vollendet!
Sie selbst erschien dann in ihren drei Aspekten gleichzeitig- die Weiße, die Rote und die Schwarze!
Der Brauch war, dass 3 Frauen in einem weißen, einem roten und einem schwarzen Gewand mit dem wiedergeborenen Licht von Haus zu Haus zogen, bewirtet wurden und den Segen brachten!
Wir alle wissen, was mit diesem Brauch durch die Christianisierung passiert ist!
Der reiche Mythenschatz rund um die Göttin Holle zeigt, dass sie viel mehr ist, als nur eine Märchenfigur – sie ist ein Symbol für die spirituelle Verbundenheit mit der Natur und eine Verbindung zu unseren frühesten Vorfahren und unseren Wurzeln!
Gerade in unseren Zeiten der „spirituellen Krise“, ist es für mich ungemein tröstlich, diesen Teil unserer Geschichte zu entblättern und zu verstehen.
Das Zitat von „Grabe wo du stehst“ von Cornelia Siebeck ist zu ergänzen , so dass es lautet “ Grabe wo Du stehst und grabe tief“!
Oder wie Gerda Lerner sagt: „Zukunft braucht Vergangenheit“
…nicht um ein „zurück zu…“ zu propagieren, sondern um für eine lebensdienlichere Zukunft zu lernen und zu verstehen!
Das zyklische „magische Jahr“ und all die darin liegenden Mythen und Bräuche sind für mich mittlerweile zu einem sehr wichtigen „Haltegriff“ geworden. Meine Rituale entlang der 8 Jahreskreisfeste sind für mich wie eine Anbindung an das zyklische Große Ganze, in das wir Menschen eingebettet leben!

Wenn ihr euch für die Rituale im Jahreskreis interessiert schaut doch mal da!
So wünsche ich Euch für heute noch einen wunderschönen Tag und eine gute und lebensdienliche Anbindung an die jahreszeitliche Qualität der Zeit!
shine your light, spread love, stay wild,
Eure Lilian
Quellen:
Paetow, Karl : Frau Holle; Volksmärchen und Sagen
Gunivortus Goos, Göttin Holle
Richert, Wilfried: Das Mysterium der Frau Holle
Rüttner-Cova, Sonja: Die gestürzte Göttin
Göttner-Abendroth, Heide: Frau Holle
Gardenstone: Göttin Holle
Gimbutas, Marija: The Living Goddesses
Gimbutas, Marija: Die Zivilisation der Göttin