Ein Weg der Ganzwerdung

Der moderne Mensch erfährt sich als etwas von der Natur Getrenntes, als gleichsam außerhalb der Natur lebend. Wir können diesen Zustand „Naturvergessenheit“ nennen. Der Mensch hat sich zum Herrscher über die Natur aufgeschwungen und dabei die Natur erniedrigt. Um zu überleben, so dachte er, müsse er seine eigene Natürlichkeit aufgeben und leugnen, dass er selbst Teil der ihn umgebenden Natur ist (Hans Peter Dürr) 

Teil 1 – Der Pfad der Er-innerung 

„Wir müssen wieder in der Natur heimisch werden“

– das war die eindringliche Botschaft eines meiner wichtigsten Mentoren aus dem Naturmentoring, Jon Young. 

Dieser „Auftrag“ führte mich auf eine Reise, die tatsächlich bereits sehr viel früher begonnen hatte, mich zu oben genanntem Mentor führte und von dort aus weiter, in immer tiefere und innigere Schichten einer Wieder- Anbindung, zu der ursprünglichsten Verbindung des Mensch-Seins!

Unterwegs auf dieser Reise (die „mein Leben“ heißt ; )) gab es so einige unerwartete Wendungen, manchmal Irrwege, öfters Umwege – doch immer weiter verdichtete sich etwas, in verschiedensten Schichten und Ebenen, oft ohne, dass ich dafür Worte gehabt hätte…

Auf meinem Weg wurde ich in „Räume“ geführt, von denen ich davor oft nicht mal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Häufig ergriff mich ein Staunen wie ein Schauer und befeuerte meine Neugier, meine Begeisterung und meinen Drang, weiterzugehen. Manchmal aber war ich auch verzweifelt, wenn sich mir die „Entfremdung“ des Menschseins von seiner ihn umgebenden Umwelt und von sich selbst als ein unüberwindbares Monster zeigte, mit dicken fetten Traumaschichten, die alles nur zu zementieren schienen!

Doch immer wieder auf meiner Reise habe ich Erstaunliches und Spannendes erfahren, erlebt, erfühlt. Ich habe viel über unseren Landschaftskörper, unsere Mitwesen und die Verwebung alles Lebendigen gelernt, über unsere frühen Vorfahren, unsere Mythen und Märchen sowie die Geschichte der Menschheit, insbesondere jene, die nicht in den herkömmlichen Geschichtsbüchern zu finden ist. Durch glückliche Fügungen und scheinbar zufällige Begegnungen mit den richtigen Mentoren zur rechten Zeit – Ältesten, Angehörigen indigener Kulturen und spirituellen Mentorinnen – habe ich viel gelernt, bin tief eingetaucht und habe begonnen, die Schichten der Geschichte abzutragen. Immer der Frage nachgehend, verstand ich langsam in einer neuen Tiefe, wie es dazu kam, dass wir der Illusion des Getrenntseins erlegen sind und uns damit letztlich auch von uns selbst abgetrennt haben.

„Dass wir getrennt sind, ist eine Illusion. Wir sind immer ganz, eingebettet in einem Ganzen – „Holon“ wird das nach A. Koestler genannt . Wir sind verwoben in einem Netz von Lebendigkeit. Mit „Weg der Ganzwerdung“ meine ich, dass wir uns dieser Realität in unserem Sein und Werden wieder bewusst werden müssen, um mit unserem Handeln wieder lebensdienlicher in diesem großen Netz zu wirken!

(Lilian Fritz)

Verlorene Ganzheit: Die Suche nach dem Wesentlichen

Dass auch wir Menschen nichts anderes sind als Natur, ist (hoffentlich) allgemein bekannt, auch wenn es manchmal so scheint, als wäre diese Tatsache in unserem Handeln in Vergessenheit geraten.

In der längsten Phase der Evolutionsgeschichte – nämlich über 90 Prozent davon – verstanden sich die Menschen nicht als Individuen, sondern als Knotenpunkte eines Netzes in einer mehr-als-menschlichen, beseelten Welt. Sie lebten in egalitären Gruppen als Jäger und Wildbeuter und ihre Spiritualität war intuitiv und in ihren Alltag verwebt. In dieser Welt waren sie aufgehoben; das war ihre Realität! 

Diese „Psychologie des Seins“ tragen wir nach wie vor in uns. Die kulturellen Innovationen haben sich so rasant entwickelt, dass unsere Biologie nicht Schritt halten konnte. Um uns heute selbst zu verstehen – in unseren Nöten, Verirrungen, Abtrennungen und Krankheitsbildern – benötigen wir ein Bewusstsein über unseren Ursprung sowie über unsere psychologischen und biologischen Anpassungen.

Denn uns ist etwas Wesentliches einer Ganzheit abhanden gekommen, ohne dass wir es aufgrund der rasanten Entwicklung bewusst wahrnehmen konnten, geschweige denn ganzheitlich umstellen konnten. Dies führt dazu, dass wir Entfremdung in vielfältigster Weise erfahren.

„Gemeinsam sind wir durch den trügerischen Glauben der Getrenntheit geschwommen und jetzt bewegen wir uns langsam zurück in Richtung unserer wahren Verbundenheit“ (Sherri Mitchel)

Der Mensch als Teil einer lebendigen Landschaft

Der Mensch kann nicht losgelöst von der ihn umgebenen Landschaft gesehen werden. Er ist Teil der Landschaft in der er lebt und die Landschaft ist ebenso Teil des darin lebenden Menschen! Mensch und Landschaft sind also eng miteinander verwoben, doch über allem liegt eine dicke Schicht von Trauma, die dieses Gefühl von Abgetrenntsein induziert.

Kollektives Trauma liegt wie eine dicke Schicht über den Menschen, über der Landschaft und über unseren Mythen und Geschichten! Das ist wichtig in alle Überlegungen mit einzubeziehen!

Natur im Außen, beeinflusst immer auch die innere, psychische Natur des Menschen und auch umgekehrt.

„Die Umwelt, die Natur und die Landschaft, in der wir aufwachsen, die uns umgibt, hat eine große psychodynamische Bedeutung in unserem Sein und Werden.“ (Gebhard, 2017)

In der heutigen Arbeit zur Rückverbindung mit der Natur wird oft der Slogan „Der Mensch im Spiegel der Natur“ verwendet. Doch ich sehe darin eine versteckte Falle.

Wenn die Natur nur ein bloßer Spiegel wäre, bestünde die Gefahr, dass wir nur erneut einer narzisstischen Verlockung erliegen.

Durch tiefe Erfahrungen in der Natur und die Verbindung von Innen und Außen entsteht vielmehr ein Raum – es entsteht eine „Atmosphäre“ zwischen Mensch und lebendiger Landschaft!

Dies ist als Resonanzraum zu verstehen, in dem und durch den „etwas“ in Schwingung gerät und dann eine „echte Beziehung“ zu einem mehr als menschlichen DU, einem Naturwesen, entsteht.

„Der Mensch wird am Du zum Ich“, sagt Martin Buber.  Doch es ist da eben noch mehr als nur das „menschliche Du“. Ein Gegenüber, in diesem Netz des Verwoben seins, ist auch Landschaft und die mehr-als-menschliche Welt, doch nicht losgelöst, nicht abgetrennt, sondern mit uns verwoben in einem gemeinsamen alles aufnehmenden Netz!

Die Natur, die lebendige Landschaft, kann symbolisch zum Spiegel des Menschen werden, doch es braucht eben dieses Dritte, dieses „mehr als die Summe“, es braucht den Resonanzraum und die Bereitschaft dafür, dann können uns Erfahrungen zufallen, die mit Wollen niemals zu erreichen sind und die ungeahnte Selbstaspekte und Erfahrungen des Aufgehoben seins zu Tage bringen können und uns tiefe spirituelle Erlebnisse ermöglichen können. “(…)when we „lose our mind“ and „come to our senses“ in the fullest possible way, the chattering, texting, e-mailing, twittering mind will eventually quiet down and almost silence itself. This is a sacred and connected silence(…)“
(Jon young)


Eine Klarstellung

„In der Natur heimisch werden“ bedeutet jetzt aber nicht, so etwas wie einen „Heimatclub“ zu gründen. Es ist (leider) wichtig, dies zu betonen, da es in der jüngeren Geschichte unseres Landschaftskörpers gravierende Missbräuche unserer Traditionen gegeben hat, die uns tatsächlich noch weiter abgetrennt haben.Und die schon erwähnte Trauma-Schicht, die über uns Menschen, der Landschaft, unseren Traditionen, Geschichten und Mythen, liegt, wurde so um eine weitere Schicht ergänzt. die aus über 5000 Jahren patriarchaler Herrschaftssysteme resultiert.

Auch die Bräuche anderer Kulturen gilt es zu respektieren, um kulturelle Aneignung zu vermeiden.

Unsere eigenen Traditionen und Bräuche könnten uns aber, wenn man sie gründlich untersucht und von ihren neuzeitlichen Anhaftenden befreit, viel erzählen, über unser ursprüngliches Verständnis von „angebunden-sein“. Sie tragen nach dem Missbrauch in der Nazi-Zeit dazu noch den Schleier eines seltsamen Nimbus, unschuldiger Blick darauf ist fast nicht mehr möglich.

Man möchte sich schließlich nicht verdächtig machen.

Die alten Traditionen anderer Kulturen, die auch immer etwas mit Anbindung an das Größere zu tun haben; sind aus genannten Gründen für uns tabu – kulturelle Aneignung! So sind wir, was ursprüngliche Traditionen betrifft, die eben immer auch eine Anbindung an etwas Größeres bedeuten, eigentlich ganz schön „lost“! Um das in Jugendsprech zu sagen!

In der Schweiz beispielsweise, wo der Zweite Weltkrieg zwar ein Balanceakt zwischen Neutralität und wirtschaftlichen Interessen war, haben die Menschen jedoch keinen Missbrauch ihrer Traditionen erlebt. Die Menschen dort geht viel unbeschwerter mit ihren alten Bräuchen um. Zwar gibt es auch in den dortigen Mythen und Geschichten sowie in den Auslegungen der Traditionen Überlagerungen durch Herrschaftssysteme, aber keinen Missbrauch durch ein Nazi-Regime.


(M)ein Weg des Verstehens

Für mich persönlich hat meine Forschung zu den Ursprüngen, zusammen mit meinem eigenen Prozess und dem Prozess die Ge-schichte in Schichten abzutragen und so immer tiefer zu tauchen, sehr viele wertvolle Erkenntnisse gebracht. In mir ist ein tiefes Verständnis für die Probleme unserer Zeit gewachsen und ich hatte plötzlich für mich so schlüssige Erklärungen in der Hand, warum wir global in dieser „gefühlten Sackgasse“ stecken. 

Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Reise, aber das, was ich erfahren, erfühlt und gelernt habe, prägt mein ganzes Sein und Wirken- und es ruft mich immer weiter, noch mehr zu erfahren und es bestärkt mich auf meine Weg des Wirkens zu bleiben…

Ich habe auch verstanden, wie mein mich Wieder-Verbinden mit meinem Frausein zusammenhängt und wie bereichernd es ist, all die damit verbundenen Aspekte ans Licht zu bringen!

Ich habe erkannt, warum wir Frauen damit beginnen müssen unser „inneres Patriarchat“ zu entlarven, um in eine lebensdienlichere und heilsamere Zukunft gehen zu können!

Ich habe eine Vorstellung davon bekommen, wie ein Leben in egalitären Gesellschaftsstrukturen aussehen könnte, mit flachen Hierarchien und dem „Wissen des Kreises“ anstelle von Geboten, die von Machthabern ausgehen. 

Ich habe erfahren, was es bedeutet, „frei zu Etwas sein“, anstatt meine eigene Freiheit von äußeren Faktoren abhängig zu machen.

Gleichzeitig habe ich durch meine Erfahrungen, durch meine Arbeit, durch mein Sein und Tun, erkannt, wie wir uns durch unbewusste, epigenetische Prägungen sabotieren können.

Und nicht zuletzt habe ich immer wieder erfahren und durch meine Arbeit vielfach beobachten können, wie uns ein seelenzentrierter Zugang zu Natur und Kunst unter die Schichten des Traumas tauchen lässt, um dort an unser gesundes ursprüngliches Potential anzudocken und um es von dort aus zu stärken!

Denn die Reise zu den Ursprüngen unseres menschlichen Seins und Zusammenlebens in einer mehr-als-menschlichen Welt, ist gleichzeitig auch die Reise zu unseren eigenen innersten und ursprünglichsten schöpferischen Anlagen!

„Unsere Reise zu den Ursprüngen ist zugleich die Reise in unsere Zukunft.“
(Gerda Weiler)

Im zweiten Teil des Blogbeitrags „Ein Weg der Ganzwerdung“ kannst du noch mehr zu den Aspekten des Frau-Seins lesen und warum es extrem wichtig ist, auch hier, durch all die patriarchalen Überlagerungen hindurch, zu den Ursprüngen zu tauchen! 

Stay tuned! : )

 

shine your light, spread love, stay wild

Pellentesque in ipsum id orci porta dapibus. Praesent sapien massa, convallis a pellentesque nec, egestas non nisi. Curabitur arcu erat, accumsan id imperdiet et, porttitor at sem.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert