Der Kreis der Transformation: Eine Landkarte für Wandel

Jeder tiefgreifende Wandlungsprozess im menschlichen Leben folgt einer inneren Logik, einer archetypischen Struktur. Dieser Prozess ist kein willkürliches Geschehen, sondern entfaltet sich entlang erkennbarer Muster und gewisser Gesetzmäßigkeiten. Durch das Verständnis dieser Gesetzmäßigkeiten entsteht eine Landkarte für Wandlungsprozesse, die uns Orientierung, Halt und Sicherheit geben kann.

Von der Heldenreise zum Kreis der
Transformation

Der Mythenforscher Joseph Campbell identifizierte in seiner vergleichenden Forschung eine universelle Erzählstruktur, die er als „Monomythos“ oder „Heldenreise“ bezeichnete. Er zeigte auf, dass die großen Narrative der Menschheit einem gemeinsamen Muster von Aufbruch, Prüfung und Rückkehr folgen. Mit dieser Erkenntnis zeigt er auf, dass Transformation natürlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, die in uns wirken – unabhängig davon, ob wir sie bewusst erkennen.

Der Kreis der Transformation baut auf diesen Einsichten auf und dient als anwendbares Modell für Wandlungsprozesse. Er ist eine Landkarte, die Orientierung gibt, ohne den Weg vorzuschreiben. Er strukturiert die Erfahrung und hilft, Herausforderungen als notwendige Stationen auf einem Weg zu persönlicher Reifung und Integration zu verstehen.

„Dass wir getrennt sind, ist eine Illusion. Wir sind immer ganz, eingebettet in einem Ganzen – „Holon“ wird das nach A. Koestler genannt . Wir sind verwoben in einem Netz von Lebendigkeit. Mit „Weg der Ganzwerdung“ meine ich, dass wir uns dieser Realität in unserem Sein und Werden wieder bewusst werden müssen, um mit unserem Handeln wieder lebensdienlicher in diesem großen Netz zu wirken!
(Lilian Fritz)

Eine kritische Einordnung: Mythen und ihre Prägungen

Bei der Betrachtung archetypischer Narrative ist eine kritische Perspektive unerlässlich. Forscherinnen wie Gerda Weiler haben in ihrer Arbeit („Der enteignete Mythos“) aufgezeigt, wie patriarchale Gesellschaftsordnungen ursprüngliche Mythen umformten.

Erzählungen, die weibliche Weisheit und Schöpfungskraft in den Mittelpunkt stellten, wurden vielfach von männlich dominierten Narrativen überlagert. Eine bewusste Transformation und der Umgang mit den Gesetzmäßigkeiten schließt daher die Aufgabe ein, diese tradierten Geschichten zu hinterfragen.

Der Prozess zielt dann nicht nur auf individuelles Wachstum, sondern trägt auch zur Heilung kollektiver Muster bei. Er öffnet Räume für Begegnung und Verbindung jenseits alter Hierarchien.

Gerda Weiler formulierte es treffend: „Unsere Reise zu den Ursprüngen ist zugleich die Reise in unsere Zukunft.“

„Gemeinsam sind wir durch den trügerischen Glauben der Getrenntheit geschwommen und jetzt bewegen wir uns langsam zurück in Richtung unserer wahren Verbundenheit“ (Sherri Mitchel)

Die Archetypen: Psychische Kräfte im Wandel

Auf dem Weg der Transformation wirken universelle psychische Kräfte, die Joseph Campbell als Archetypen beschrieb. Sie sind keine abstrakten Figuren, sondern lebendige Muster, die unsere innere und äußere Reise formen.

  • Der Ruf: Er manifestiert sich als eine innere Stimme, eine wachsende Unruhe oder eine Sehnsucht nach Veränderung. Oft wird er durch eine Lebenskrise, einen Verlust oder eine tiefe Einsicht ausgelöst, dass der bisherige Weg nicht mehr stimmig ist.

 

  • Der Mentor: Diese Kraft tritt als innere Weisheit oder äußere Führung in Erscheinung. Sie spendet Mut, gibt Orientierung und stellt das nötige Wissen oder die Werkzeuge für den bevorstehenden Weg bereit. Der Mentor erinnert uns an unsere bereits vorhandenen Ressourcen. •

 

  • Der Schwellenhüter: Dieses Prinzip verkörpert die inneren und äußeren Widerstände, die uns am Übergang ins Unbekannte hindern wollen. Es sind unsere Ängste, Zweifel und alten Gewohnheiten. Zugleich ist die Konfrontation mit dem Schwellenhüter die notwendige Herausforderung, die den Wandel erst ermöglicht.

 

Es ist höchste Zeit, die Spaltung und einen trennenden Dualismus zu überwinden, der weitreichendere Auswirkungen hat, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.


Die 9 Stationen des Kreises der Transformation

Die Reise der Wandlung verläuft zyklisch und lässt sich in acht wesentliche Phasen gliedern. Jede Station markiert einen Übergang auf dem Weg von der bekannten Welt zu einer erweiterten und integrierten Existenz.

1. Die gewohnte Welt

Jede Transformation beginnt im Vertrauten, in einem Zustand relativer Sicherheit und etablierter Routinen. In dieser Phase macht sich oft eine subtile Unruhe oder eine unbestimmte Sehnsucht bemerkbar, die auf einen bevorstehenden Wandel hinweist.

2. Der Ruf

Der Ruf zur Veränderung tritt manifest in unser Leben. Er kann die Form einer äußeren Krise annehmen – wie Krankheit oder Trennung – oder sich durch innere Impulse wie Träume, Intuitionen oder eine inspirierende Begegnung zeigen. Er ist die unmissverständliche Einladung, das Bekannte zu verlassen.

3. Die Schwelle

…ins Unbekannte Diese Phase markiert den kritischen Übergang. Hier konfrontieren wir unsere tiefsten Ängste und Widerstände. Eine natürliche Reaktion ist die Weigerung, dem Ruf zu folgen. An dieser Schwelle erscheint jedoch auch der Mentor, der uns stärkt. Der bewusste Entschluss, die Schwelle zu überschreiten, ist ein Akt des Mutes und eine zentrale Entscheidung.

4. Die Hingabe

Nach dem Schwellenübertritt beginnt die Phase der Bewährung. Sie erfordert das Loslassen von Kontrolle und die Bereitschaft, sich dem Prozess mit all seinen Unwägbarkeiten zu überlassen. In dieser Phase suchen und finden wir neue Verbündete und lernen, uns den Kräften der Veränderung anzuvertrauen.

5. Die Unio Mystica

Dies ist das Zentrum der Transformation – oft als die „dunkle Nacht der Seele“ beschrieben. Hier findet die bewusste Begegnung mit dem eigenen Schatten statt, mit jenen Anteilen, die wir verdrängt oder abgespalten haben. Es ist eine Konfrontation mit tiefen Wunden, die zur Versöhnung von Licht und Dunkelheit führt. In diesem existenziellen Prozess von symbolischem Tod und Wiedergeburt erkennen wir unsere Ganzheit.

6. Die Gabe

Aus der tiefsten Erfahrung der Transformation geht die Gabe hervor. Sie ist keine materielle Belohnung, sondern eine innere Errungenschaft: eine neue Klarheit, eine wiederentdeckte Fähigkeit oder eine tiefgreifende Erkenntnis über uns selbst. Diese Gabe ist ein Geschenk, das aus der Hingabe empfangen wird, nicht durch Willensanstrengung erzwungen.

7. Die Schwelle

…in den Alltag. Mit dieser neu gewonnenen Gabe beginnt der Rückweg. Die Herausforderung liegt nun in der Integration der Erkenntnis in das alltägliche Leben. Es gilt, die neue Wahrheit in der Welt zu verankern und sie gegen den Widerstand alter Muster und Gewohnheiten zu behaupten.

8. Die Berufung

Zurück in der nun erweiterten Welt, erkennen wir unsere Berufung – den bewussten Auftrag, unsere Gabe zu leben und in die Gemeinschaft einzubringen.

9. Die Hoch-Zeit

Der letzte Schritt, die „Hochzeit“, symbolisiert die Vereinigung des alten und des neuen Selbst, des verletzlichen Menschseins mit der wiedergefundenen schöpferischen Kraft. Der Kreis schließt sich auf einer höheren Ebene der Integration.


Die Spirale der Wandlung: Ein fortwährender Prozess …

Jede Transformation ist zugleich Abschluss und Neubeginn. Der Kreis ist kein abgeschlossenes System, sondern eine Spirale. Mit jeder vollendeten Reise öffnet sich eine neue Ebene des Wachstums. In der Stille nach der Ankunft hören wir bereits den nächsten Ruf. Die Kunst des Wandelns liegt im Wissen, dass jede Ankunft nur eine Zwischenstation auf dem unendlichen Weg des Werdens ist.

Auch im Kontext der ganzheitlichen Kunsttherapie erhält diese Sichtweise besondere Bedeutung, insbesondere bei der Arbeit mit traumatischen Erfahrungen.

Der Kreis der Transformation bietet hier einen strukturierten und sicheren Rahmen, innerhalb dessen traumatische Brüche nicht als Endpunkte, sondern als mögliche Schwellen zu einer tiefgreifenden Wandlung verstanden werden können.

Indem die einzelnen Phasen künstlerisch erforscht und gestaltet werden, entsteht Raum, um verdeckte oder fragmentierte Anteile des eigenen Erlebens auszudrücken.

So können schöpferische Prozesse dabei helfen, im Inneren Fragmentiertes zu verbinden, Selbstwirksamkeit und Hoffnung zu stärken, und letztlich Wege zur nachhaltigen Integration von Trauma zu eröffnen. Kunsttherapie und der Kreis der Transformation wirken gemeinsam als kraftvolle Ressourcen, wo Heilung nicht im schnellen Überwinden, sondern im bewussten, gestalterischen Durchschreiten der eigenen Geschichte liegt.


In der Kunsttherapie findet der Kreis der Transformation eine besondere praktische Umsetzung.

Nicht nur, dass er Orientierung und damit Sicherheit bringt – durch die schöpferische Auseinandersetzung mit den Phasen der Transformation werden persönliche Ressourcen gestärkt und bislang unbewusste Aspekte ins Bewusstsein geholt. Kunsttherapie setzt an der Schnittstelle von Erleben und Gestalten an und macht Unsichtbares sichtbar, unsagbares hörbar, individuelle Entwicklungswege erfahrbar und nachvollziehbar.

Besonders in der Begleitung von Heilungs- und Entwicklungsprozessen wird so das Modell des Kreises der Transformation zu einer lebensnahen und inspirierenden Orientierungshilfe, die nicht nur intellektuell verstanden, sondern kreativ und sinnlich erlebt werden kann.

So wird Transformation über das künstlerische Tun nicht nur symbolisiert, sondern aktiv erfahren und integriert – ein Prozess, der persönliches Wachstum, Heilung und kreative Selbstentfaltung wirkungsvoll unterstützt.

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